Auch auf europäischer Ebene Demokratie leben und für sie eintreten

Podiumsdiskussion zur Europawahl am Greselius-Gymnasium

„Demokratie hat man nicht. Wir müssen sie leben und dafür eintreten, auch auf europäischer Ebene.“ Dieser Konsens war am Freitag, 24.5., auf dem Podium schnell gefunden. Der Politikfachbereich hatte unsere Vertreter aus den vier demokratischen Parteien im Bundestag bzw. Landtag eingeladen, sich den Fragen der 16- bis 18-jährigen Schülerinnen und Schüler (Jg. 10-12, Kl. 9d) zu stellen. Und so ging es bei der Veranstaltung primär um Klimaschutz als europäische Aufgabe, Partizipation, das Herabsetzen des Wahlalters und vermeintliches politisches Desinteresse der Jugend sowie Ursachen für und Maßnahmen gegen den Rechtsruck in Deutschland und Europa.

Die Veranstaltung zur Europawahl lag komplett in Schülerhand. Denn diesmal dürfen sich auch die 16-Jährigen politisch beteiligen, sie dürfen erstmals wählen.  Kurse der Oberstufe hatten die Diskussion vorbereitet, die Moderation übernahmen Celina Zylali vom Leistungskurs Politik 12, Mitglied im Jugendparlament Bramsche, und Justus Vonstrohe, aktueller Stipendiat des Parlamentarischen Partnerschaftsprogramms des deutschen Bundestages. Der Zehntklässler hatte kurz zuvor als Praktikant die Bramscher Grünen-Abgeordnete Filiz Polat im Bundestag begleitet und so den Alltag einer Politikerin und die Arbeitsabläufe während einer parlamentarischen Woche kennen gelernt. Ab August wird er von ihr als Botschafter für ein Jahr in die USA entsandt.

„Was bedeutet Europa für Sie als Bundes- bzw. Landesabgeordnete?“ Mit dieser Frage forderte Celina die Podiumsteilnehmer zu einem persönlichen Eingangsstatement auf.  
„Klimaschutz und Migration sind nur gemeinsam zu bewältigen. Deshalb brauchen wir Europa“, befand Filiz Polat. Matthias Seestern-Pauly (FDP) blickt vor allem auf Europa als „größtes Friedensprojekt der Welt, das Freiheit und Wohlstand gewährleistet“, und will dieses unterstützen. Beiden stimmte Guido Pott (SPD) bei und rief dazu auf, entsprechend demokratische Abgeordnete in das Europaparlament zu wählen. Für Christian Calderone (CDU) ist ein Zusammenwachsen Europas auch ein familiäres Anliegen.

Dass das Projekt Europa zunehmend durch rechte Parteien in Gefahr gerät, sahen alle als ernste Bedrohung. Während Seestern-Pauly sich als Gegenmaßnahme primär den von Rechten aufgegriffenen „Problemen“ wie ein „behäbiger Staat“ und Migration als Herausforderung zuwenden will, warb Pott für öffentliche Bekenntnisse zur Demokratie, beispielsweise auf Demos, und einen klaren Blick: „Politik kann nicht perfekt sein!“ In einer Zeit der Verunsicherung durch viele zu bewältigende Probleme der Zukunft, wie beispielsweise Kriege und die Klimakrise, sei es die Strategie der Rechten, Ängste zu schüren, „Buhmänner“ für die Probleme zu suchen, gegen die EU und andere zu hetzen und einfachste Antworten zu geben, führte Polat weiter aus. „Ängste wirken immer!“ Die Realität sei allerdings komplex. Dennoch müssten jetzt von der Politik „krasse Entscheidungen“ für die Zukunft getroffen werden. Dass um den richtigen Weg lange gestritten werde, „ist wichtig, ist Demokratie“. Calderone warf ein, dass nicht nur in den Medien die Herausforderungen und Probleme zu stark in den Fokus genommen würden, das Positive, auch von Europa, dagegen vielfach vergessen werde.

Er sah europaweit zunehmend Misstrauen in die Demokratie wachsen und forderte daher mehr Bürgerbeteiligung an Entscheidungen sowie eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip im europäischen Parlament, um Entscheidungen für die Zukunft zu ermöglichen. Diese werden demnächst von den heutigen Jugendlichen getroffen. Ob das Herabsetzen des Wahlalters auf 16 Jahre bei allen Wahlen eine gute Maßnahme ist, um diese zur politischen Beteiligung zu bewegen, blieb strittig. Politische Beteiligung könne besser über Ortsgremien und Verbände gefördert werden, so Pott. Man brauche ein Projekt, für das man kämpfen wolle.
„Das Nachdenken über Partizipation ist sekundär. Wenn kein politisches Interesse da ist, muss man fragen, wie man dieses wecken kann“, gab Henri aus dem Jahrgang 12 zu bedenken. Filiz Polat warf den Ball zurück: „Ihr seid eine privilegierte Generation. Ihr müsst euch engagieren. Nutzt eure Chancen, hinterfragt, bringt euch ein. Und konsumiert nicht nur über Medien!“
„Wie möchten Sie Klimaschutz auf europäischer Ebene voranbringen?“, wollte Justus abschließend von den Podiumsteilnehmern wissen. Da der „Green Deal“ Europas, also das Bestreben, bis 2050 klimaneutral zu sein und entsprechende Maßnahmen zu fördern,  parteiübergreifend grundsätzlich positiv gesehen wurde, hakte er nach: „Reicht das denn?“ Wenn die Bevölkerung nicht mitgenommen werde, könne Klimaschutz nicht gelingen, verteidigte Pott das langsame Voranschreiten beim Klimaschutz. Seestern-Pauly warf den Emissionshandel als Alternative zum Verbot von klimaschädlichem Handeln ein. Polat warb für eine Vorreiterrolle Deutschlands im Bereich erneuerbarer Energien: „Wenn man etwas ändern will, darf man nicht immer auf andere schauen.“

(Rita Cremering)

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Greselius-Gymn…
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